Ein Artikel von Sandra Baethge & Eleonora Paul
Hoher Wettbewerbsdruck, Preiskampf, neue Filialdesigns, Onlineshopping – gerade im Lebensmitteleinzelhandel steigt der Druck auf den Handel, Kunden nicht nur zufriedenzustellen, sondern sie langfristig von sich zu überzeugen und an sich zu binden. Doch was macht die Kunden zufrieden und wo kann der Händler ansetzen, um den Kunden langfristig von sich zu überzeugen? Sandra Baethge und Eleonora Paul von IWD beschreiben, mit welchen Methoden sie dies herausfinden.
Der Konsument ist ein komplexes Wesen und so ist auch seine Zufriedenheit im Lebensmittelhandel (LEH) ein mehrdimensionales Konstrukt. Es setzt sich aus verschiedenen Treibern bzw. Einflussfaktoren zusammen und verändert sich stetig. So kann die Zufriedenheit mit einem Händler durch ein neues Ladendesign steigen. Sie nimmt aber bei nachlassender Freundlichkeit in Kombination mit steigenden Preisen schnell wieder ab.
Wir haben daher einen Exzellenzfragebogen entwickelt, der methodenübergreifend dabei hilft, genau diese individuellen Treiber der Kundenzufriedenheit zu identifizieren und deren Relevanz sowie aktuelle Performance auf einer Punkteskala von 0 bis 100 in einem Strukturgleichungsmodell auf den Prüfstand zu stellen.
Über ein monatliches Tracking unter deutschen Konsumenten können wir evaluieren, was die Kunden verschiedener Lebensmittelhändler bewegt und welche Stellschrauben jeder der Händler hat, um die Zufriedenheit zu optimieren und Wettbewerbskunden zum Einkauf in der eigenen Filiale zu motivieren.
Im Rahmen der Analyse ist es also nicht nur wichtig, die potenziellen Treiber zu identifizieren und jeweils vom Konsumenten hinsichtlich dessen Zufriedenheit bewerten zu lassen. Es gilt darüber hinaus auch, unbedingt zu prüfen, welcher diese Treiber aktuell den größten Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit hat. Welcher Treiber hat also den stärksten Hebel und wie wird dieser vom Konsumenten bewertet? Wird ein wichtiger Einflussfaktor vom Konsumenten unterdurchschnittlich bewertet, so gilt es, diesen am dringendsten zu optimieren. Das kann zum Beispiel bedeuten, die Mitarbeiter in der Kundenansprache nachzuschulen, falls die Freundlichkeit der Mitarbeiter einer der Haupt-Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit der Kunden ist.
Nach der Optimierung sollte die Messung der Treiber regelmäßig wiederholt werden. Dieser Prozess dient nicht nur der Erfolgskontrolle durchgeführter Optimierungsmaßnahmen, sondern kann im nächsten Schritt bereits mögliche neue Baustellen identifizieren. Der Konsument wird jeden Tag aufs Neue beim Einkauf inspiriert. Darum sollten seine Wünsche kontinuierlich beobachtet werden, um rechtzeitig auf veränderte Marktansprüche reagieren zu können.
Im Rahmen eines kontinuierlichen Trackings unter mehr als 2.000 volljährigen Entscheidern, aber auch Mitentscheidern für den Lebensmitteleinkauf erheben wir die globalen Zufriedenheitswerte und ihre potenziellen Treiber für deren Haupteinkaufsstätte. Aktuell umfasst das Modell 13 potenzielle Treiber. Die Konsumenten werden gebeten, unter anderem die Qualität, Verfügbarkeit, Vielfalt und Präsentation über die gängigen Warengruppen wie zum Beispiel Obst & Gemüse, Brot- und Backwaren oder aber auch Molkereiprodukte und Getränke bis hin zum Non-Food- Angebot zu bewerten. Zudem werden bei der Erhebung auch warengruppenunabhängige Faktoren wie etwa die Freundlichkeit der Mitarbeiter oder die Sauberkeit berücksichtigt.
Das Tracking zeigt, dass über alle Käufertypen hinweg aktuell sowohl die Qualität als auch die Vielfalt und die Warenverfügbarkeit signifikante Treiber für den deutschen LEH-Kunden sind. Je besser die Qualität und je vielfältiger das Angebot, umso zufriedener ist der Kunde. Begeben wir uns weiter auf die Fläche, so haben Faktoren wie die Atmosphäre, das Ladenlayout, die Warenpräsentation und -auffindbarkeit sowie auch die Mitarbeiter einen signifikanten Einfluss darauf, wie zufrieden ein Konsument ist und ob er entsprechend noch einmal wiederkommt. Jeder dieser Faktoren ist dabei in sich mehrdimensional strukturiert und bewertet. So zählen bei den Mitarbeitern nicht nur deren Freundlichkeit und Präsenz, sondern auch wie kompetent sie auf der Fläche für den Konsumenten zur Verfügung stehen.
Die Studie zeigt auch, dass jeder Händler seine individuellen Treiber hat, die er für sich in den Fokus rücken sollte, um zufriedene und loyale Kunden von sich zu überzeugen und an sich zu binden.
Warum kaufen Kunden bei Netto Marken-Discount?
Wenn man die Zufriedenheit unter den Kunden erhöhen und diese damit langfristig an sich binden möchte, ist es sinnvoll, in einem ersten Schritt den stärksten signifikanten Treiber mit einer aktuell unterdurchschnittlichen Bewertung zu optimieren. Hierbei handelt es sich also um einen Faktor, der einen hohen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit hat, aber aktuell von der Kundschaft als weniger zufriedenstellend bewertet wird.
Bei Aldi Nord hat die Auffindbarkeit der Produkte und die Präsentation der Waren einen über- durchschnittlich hohen Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit. Diese wird aber aktuell von den Aldi-Nord-Kunden unterdurchschnittlich bewertet. Hier gilt es anzusetzen und zu prüfen, wie die Zufriedenheit mit der Auffindbarkeit der Produkte erhöht werden kann. So könnten Wegweiser oder bessere Kommunikationsmittel vor Ort genauso relevant sein wie eine Anpassung der Warenpräsentation. Es sollte auch überprüft werden, in welchen Warenbereichen es aus Kundensicht Verfügbarkeitsprobleme gibt.
Bei Netto Marken-Discount gibt es deutlich mehr Stellschrauben, die einer dringenden Optimierung bedürfen, so zum Beispiel die Atmosphäre sowie die Warenvielfalt und Verfügbarkeit. In Bezug auf die Atmosphäre geben die Befragten an, dass unter anderem Handlungsbedarf bei der Sauberkeit der Filiale besteht. Auch die Verbesserung der Mitarbeitersituation durch mehr Personal auf der Verkaufsfläche würde zu einer erhöhten Zufriedenheit beitragen. Daneben sollten die Warenpräsentation sowie die Auffindbarkeit der Produkte ebenfalls im Auge behalten werden.
Ein zufriedener Kunde ist ein loyaler Kunde.
Zusätzlich wird im Tracking die Loyalität der Befragten zu ihrer Haupteinkaufsstätte abgefragt. In diesem Loyalitätsindex beleuchten wir das Verhältnis des LEH-Kunden zu seiner Haupteinkaufsstätte über mehrere Einzelbewertungen wie etwa der Wechselbereitschaft detaillierter. Zum Vergleich: Bei Aldi Nord zeigten 39,8 Prozent die Bereitschaft zu wechseln, wenn in der Nähe eine Einkaufsstätte mit ähnlichem Sortiment und Preisniveau eröffnet. Bei Netto Marken-Discount sind es ganze 54,8 Prozent. Der gemessene NPS-Wert liegt für Aldi Nord bei einem Wert von 41, für Netto Marken-Discount dagegen bei lediglich 11.
Der Schlüssel zu einem zufriedenen und langfristig loyalen Kunden liegt in einer detaillierten und regelmäßigen Betrachtung seiner Bedürfnisse unter Berücksichtigung der Entwicklung des Marktes. Der Wettbewerb schläft nicht und definiert den Anspruch des Konsumenten immer wieder neu. Auch lohnt es sich, methodisch neue Wege über die klassische deskriptive Auswertung hinaus zu gehen. Durch die Kombination einer Trackingmessung mit einer Treiberanalyse können mit wenig Aufwand aussagekräftige Informationen aus den Erhebungsdaten sowie konkrete Handlungsanweisungen abgeleitet werden, die ein schnelles und flexibles Handeln ermöglichen. Dabei darf auch gern der Vergleich mit dem direkten Wettbewerb gezogen werden, um so noch besser die eigenen als auch die potenziellen Kunden perfekt abgestimmt ansprechen zu können.
Treiberanalyse – Grenzen der klassischen Analyse überwinden.
Die PLS-Strukturgleichungsmodellierung, bekannt als Treiberanalyse, bildet die Zufriedenheit ab. Die Treiber, also Einflussfaktoren der Gesamtzufriedenheit, werden auf einen Zusammenhang und auf ihre signifikante Bedeutung überprüft. In der Wissenschaft findet diese Methodik zunehmend Verbreitung, wurde in der Praxis allerdings meist als zu aufwendig erachtet. Dabei liefert sie als Management-Tool mehr Insights und klarere Handlungsempfehlungen für die Entscheider. Nach einer deskriptiven Auswertung wird klassischerweise empfohlen, den am schlechtesten bewerteten Aspekt zu optimieren. Hier liefert eine Treiberanalyse konkrete Ergebnisse. Sie beantwortet folgende Fragen:
Welcher Treiber muss optimiert werden, um die Zufriedenheit des Kunden am wahrscheinlichsten signifikant zu steigern?
Gerade im Hinblick auf die begrenzten Budgets der Händler ist dies eine entscheidende Frage. Hat ein Aspekt keinen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit, kann sich eine Investition in die Optimierung als Fehlentscheidung erweisen.
Sind alle Aspekte gleich wichtig für meine Kunden?
Die einzelnen Treiber können die Zufriedenheit unterschiedlich stark beeinflussen. So kann etwa die verbrachte Zeit an den Kassen einer Filiale für Kunden in der Nähe eines Bürokomplexes einen höheren Stellenwert haben als das Preisniveau.
Wie beeinflussen sich die Aspekte gegenseitig?
In einer deskriptiven Analyse werden die verschiedenen Aspekte entgegen der Realität isoliert betrachtet. In der Realität kann etwa die Zufriedenheit mit der Frische der Waren die Zufriedenheit mit dem Preis beeinflussen.
Zuerst veröffentlicht: planung&analyse, Ausgabe 1/2020, Seite 42-45